Der Eigenmietwert fällt, Wohneigentum als Sieger, Wirtschaftslage bestimmt unser Siedlungsbild stärker

Nach Jahrzehnten politischer Debatten ist es nun Realität: Der in der Staatskrise 1934 eingeführte Eigenmietwert wird in der Schweiz abgeschafft. Für Wohneigentümer bedeutet das: Sie müssen künftig kein fiktives Einkommen mehr versteuern, dürfen dafür Hypothekarzinsen und Instandhaltungskosten nicht mehr von der Steuer abziehen. Die Auswirkungen reichen weit über die Steuerformulare hinaus und betreffen die gesamte Volkswirtschaft: Das Zinsumfeld verstärkt nun die Volatilität in Verschuldung, Gesamtkonsum und Zustand unserer Siedlung. Der Wohneigentumsanteil wird steigen und der Mietwohnungsmarkt steht vor schwierigen Zeiten.

📎 Der Eigenmietwert fällt

Kaufen und Abbezahlen attraktiver als Mieten

Einer der unmittelbarsten Effekte ist die Veränderung der Anreizstruktur beim Kauf von Wohneigentum. Wer bisher noch zögerte, Eigentum zu erwerben, dürfte nun motivierter sein: Wer Eigentum erwirbt, und seine Hypothek abzahlt, wird mittelfristig und vor allem mit zunehmendem Alter mit tiefen Wohnkosten belohnt – im Gegensatz zu Mietenden. Wohneigentum zu erwerben und dann über Jahre abzubezahlen wird deutlich attraktiver als in einer immer teureren Mietwohnung zu bleiben.

Mietwohnungsmarkt für einkommensschwache, Wohneigentum für einkommensstarke Haushalte

Auf immobilienwirtschaftlicher Ebene ist deshalb eine noch stärkere Nachfrage nach Wohneigentum zu erwarten, vor allem in Zeiten niedriger Zinsen, steigender Mietpreise und verknapptem Mietwohnungsangebot. Für Pensionskassen und Immobilienfonds wird die Zielgruppe der Doppelverdiener und Haushalte mit mittlerem Einkommen immer mehr zur Herausforderung. Anbieter von Mietwohnungen werden sich vermehrt auf die einkommensschwächeren Haushalte fokussieren. Immobilienentwickler hingegen setzten auf den Neubau von Wohneigentum und die Transformation von Mietwohnraum in Wohneigentum. Verdichtungsanreize und zunehmende regulatorische Vorgaben für Immobilienanleger werden dies noch beschleunigen.

Mehr Volatilität: Hypothekengeschäft, Konsum und Gesamtwirtschaft

Der langsame Abbau des riesigen Hypothekarschuldenbergs macht die Gesamtwirtschaft deutlich volatiler und das Zinsniveau gewinnt noch mehr an Bedeutung: In Zeiten hoher Zinsen, werden Schulden noch schneller abgebaut und der Konsum geht noch stärker zurück. In Zeiten tiefer Zinsen werden Hypotheken wieder leichter aufgenommen und der Konsum steigt noch stärker. Genauso wird es den Finanzinstituten gehen: vorerst und in guten Zeiten entgeht ihnen ein Geschäft in Milliardenhöhe, in schlechteren Zeiten bzw. Zeiten mit tiefen Zinsen gewinnt das Geschäft wieder an Fahrt.

Wohneigentumspreise steil nach oben

Die Preise im Wohneigentumsmarkt werden also weiter steil nach oben zeigen: zuerst wegen der erhöhten Nachfrage, danach wegen des verlorenen Anreizes, Wohneigentum zu verkaufen. Der Anreiz abbezahltes Wohneigentum zu verkaufen und in eine teure Mietwohnung zu gehen ist sehr klein, das Handelsvolumen wird noch weiter zurückgehen. Dies wirkt preistreibend - vor allem bei gut gelegenen Bestandsobjekten. Einzige Abhilfe könnte hier der Abbau der Grundstücksgewinnsteuer bieten.

Langsamer Zerfall des Siedlungsbildes

Zu guter letzte rückt langsam, aber sicher, der bauliche Zustand in den Fokus. Wer nicht mehr motiviert ist, seine Immobilie zu sanieren und energetisch auf den neusten Stand zu setzen, wird dies auch nicht tun. Klar, in Zeiten tiefer Zinsen und generell sinkenden Hypothekarvolumen, wird es einfach sein, eine Hypothek für Sanierung und/oder Konsum aufzunehmen. Aber in Zeiten hoher Zinsen, wird der Zerfall des Siedlungsbildes voranschreiten. Haushalte werden also in gewisser Weise krisenresistenter. Das wirtschaftliche Abbild wird dann im Zustand unserer gebauten Umwelt umso sichtbarer, so wie wir es von unseren Nachbarländern gut kennen.

Felix Thurnheer

Oktober 2025

Veröffentlicht: Sonntag, 12. Oktober 2025, 20:56 Uhr

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